Nachrichtenkonsum in digitalen Medien: Mehr Vielfalt durch Google, Facebook und Co
Soziale Medien und Suchmaschinen – sogenannte Intermediäre – befördern den individuellen Nachrichtenkonsum und die Vielfalt der Nachrichtenquellen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der GESIS-Wissenschaftler Sebastian Stier und Johannes Breuer gemeinsam mit Michael Scharkow von der Johannes Gutenberg Universität Mainz und Frank Mangold von der Universität Hohenheim – und widerspricht damit der weit verbreiteten Ansicht, dass sich soziale Medien und andere Intermediäre negativ auf die Vielfalt des Nachrichtenkonsums auswirken.
Social media and search engines – so-called intermediaries – promote individual news consumption and the diversity of news sources. This is the conclusion of a recent study by GESIS scientists Sebastian Stier and Johannes Breuer together with Michael Scharkow from Johannes Gutenberg University Mainz and Frank Mangold from the University of Hohenheim – and thus contradicts the widespread view that social media and other intermediaries have a negative impact on the diversity of news consumption.
DOI: 10.34879/gesisblog.2020.5
In bisherigen Studien sowie der öffentlichen Debatte standen soziale Medien und Suchmaschinen häufig im Verdacht, die Vielfalt der konsumierten Nachrichten zu verringern und sogenannte Filterblasen zu erzeugen. Verantwortlich seien die Algorithmen, die angeblich dafür sorgen, dass Nutzerinnen und Nutzer nur noch Inhalte auf Basis ihrer bisherigen Suchverläufe, Präferenzen und Interessen rezipieren.
Doch aktuelle Forschung zur sogenannten Incidental News Exposure (d.h. der beiläufigen bzw. ungeplanten Rezeption von Nachrichten) zeigt auch, dass die Nutzung von Intermediären wie Google, Facebook oder Twitter die Wahrscheinlichkeit erhöht, zufällig und unbeabsichtigt mit Nachrichten aus verschiedenen Quellen in Kontakt zu kommen. Dadurch können sie einen insgesamt größeren und diverseren Online-Nachrichtenkonsum begünstigen. Allerdings basiert die bisherige Forschung fast ausschließlich auf Selbsteinschätzungen des Medienkonsums von Teilnehmenden in Umfragen.
Genau hier setzt die Forschung von Michael Scharkow, Frank Mangold, Sebastian Stier und Johannes Breuer an: Sie haben das Web-Browsing-Verhalten von mehr als 5.000 deutschen Internetznutzerinnen und –nutzern in Bezug auf die Menge und Vielfalt der konsumierten Nachrichten mithilfe eines statistischen Modells untersucht, welches erlaubt, Unterschiede zwischen Personen und innerhalb von Personen (über die Zeit) zu differenzieren. Die Ergebnisse zeigen: Wer häufiger soziale Netzwerkseiten oder andere Intermediäre wie Suchmaschinen oder Portale (wie z.B. gmx.de oder t-online.de) aufsucht, begegnet mit einer signifikant höheren Wahrscheinlichkeit mehr Nachrichten aus einer größeren Zahl an Quellen. Gleiches gilt für die Nutzung von Google und anderen Webportalen.
„Speziell aus bisherigen Studien der Universität Oxford wissen wir, dass dieser Zugang zu Nachrichten zum Teil zufällig ist, zum Teil aber auch durchaus bewusst passiert. Manche Nutzerinnen und Nutzer besuchen eben auch Facebook, Twitter und Co. mit dem Ziel, dort Nachrichten zu konsumieren“
Dr. Johannes Breuer, GESIS
Zukünftig könnte die Kombination von Web Tracking und Experience Sampling Studies (regelmäßige kurze Befragungen; z.B. über das Smartphone) weiteren Aufschluss darüber geben, in welchen Fällen Nachrichtenkonsum vollständig unbeabsichtigt geschieht und wie die dabei konsumierten Inhalte zur Vielfalt der Rezeption beitragen, so die Forscher in ihrem Artikel.
Da Direktbesuche von Nachrichtenseiten einen sehr geringen Anteil an der gesamten Internetnutzung ausmachen, ist die Nutzung von Intermediären eine potentiell wichtige Aktivität zur Steigerung der Quantität und Vielfalt im Nachrichtenkonsum. Inwieweit die größere Zahl der genutzten Nachrichtenquellen auch mit einer Vielfalt an Meinungen und Sichtweisen einhergeht, kann die Studie selbst nicht beantworten. Vorausgegangene Forschung hat aber gezeigt, dass die Nutzung mehrerer Quellen typischerweise auch zu einem inhaltlich diverseren Konsum von Nachrichten führt.
Artikel:
Michael Scharkow, Frank Mangold, Sebastian Stier & Johannes Breuer: How social network sites and other online intermediaries increase exposure to news
Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 27. Januar 2020
DOI: 10.1073/pnas.1918279117
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