Kind, Küche oder Konferenz? – Veränderungen der Erwerbssituation durch die Corona-Pandemie und ihre Auswirkung auf die Arbeitsteilung im Haushalt und bei der Kinderbetreuung

Homeoffice
Foto von EKATERINA BOLOVTSOVA von Pexels

Durch die Corona-Pandemie hat sich das alltägliche Leben der Menschen und besonders der Familien stark verändert. Die Pandemie hat deutliche Auswirkungen auf die Erwerbssituation durch Homeoffice-Regelungen oder veränderte Arbeitszeiten. Diese Veränderungen wirken sich stark auf die Arbeitsteilung in Familien bei der Hausarbeit und Kinderbetreuung aus. Einige erhöhen den Anteil des Mannes an Hausarbeit und Kinderbetreuung und andere vergrößern den Anteil der Frau weiter.

The Corona pandemic has greatly changed the daily lives of people and especially families. The pandemic has had a strong impact on the employment situation through home office arrangements or changes in working hours. These changes have a strong impact on the division of labor in families for housework and childcare. Some increase the man’s share of housework and childcare and others further increase the woman’s share.

DOI: 10.34879/gesisblog.2021.53


„Frauen werden eine entsetzliche Retraditionalisierung erfahren“ mit diesem Satz in der Talkshow von Anne Will Anfang Mai 2020 rückte Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, die Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in den Vordergrund 1. In Wissenschaft und Gesellschaft besteht seitdem die Sorge, dass das meiste, was in den letzten Jahrzehnten an Errungenschaften und Selbstverständlichkeiten in Richtung einer geringeren Ungleichheit zwischen den Geschlechtern erreicht wurde, zunichte gemacht wird. Andere Stimmen halten die COVID-19 Pandemie nicht für eine Retraditionalisierungsfalle sondern sehen die Chance, dass Männer stärker in die Hausarbeit und Kinderbetreuung involviert werden und so eine größere Egalisierung der Geschlechter erreicht wird.

Die vorhandene Forschung ist sich uneins

Die Konsequenz aus diesen unterschiedlichen Perspektiven ist, dass viele Forschende mit verschiedenen Daten und vielfältigen Methoden den Zusammenhang untersuchen und wie das oft in solchen Fällen ist, kommen sie zu unterschiedlichen Ergebnissen. Zunächst unterscheiden sie sich in dem Verständnis von traditionellen Geschlechterrollen. Die einen verstehen darunter, dass Frauen ihre Erwerbstätigkeit im Vergleich zu vor der Pandemie reduzieren oder aufgeben. Andere schauen, ob sich Einstellungen zu den Geschlechterrollen verändern und weitere, wie sich die Arbeitsteilung bei der Kinderbetreuung und Hausarbeit entwickelt. Diese hat sich während der Corona-Pandemie besonders stark verändert, da aufgrund von Kita- und Schulschließungen die Kinderbetreuung durch die Familien selbst übernommen werden musste und durch Lockdowns und Kinderbetreuung zuhause mehr Hausarbeit angefallen ist, die nicht durch externe Unterstützung bewältigt werden konnte. Aus diesen Gründen wurde die Veränderung der Arbeitsteilung besonders häufig untersucht. Hier können bei Boll, Zinn, Zucco und Burjard eher Hinweise auf eine Egalisierung der Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen gefunden werden 2 3 4 5. Hipp findet eher eine Retraditionalisierung im Vergleich zu vor der COVID-19 Pandemie 6. Andere sehen die Situation eher unverändert 7. Einige Studien untersuchen, welche Faktoren sich auf die Arbeitsteilung auswirken. Von diesen Faktoren haben sich einige speziell durch die Pandemie verändert, wie die starke Zunahme von Homeoffice oder mehr oder weniger Arbeitszeit beispielsweise durch Kurzarbeit. Andere wirkten sich schon vor der Pandemie auf die Arbeitsteilung aus, verstärken sich jedoch durch die Kita- und Schulschließungen, wie beispielsweise das Alter der Kinder und deren Anzahl.

Auswirkungen der Faktoren auf die Arbeitsteilung von Hausarbeit und Kinderbetreuung

Die Daten des Familienpanels Pairfam zeigen, dass sich besonders das Homeoffice signifikant auf den Unterschied in der Arbeitsteilung von Männern und Frauen von vor der Corona-Pandemie und während der Corona-Pandemie auswirkt 8. Jedoch wirkt es sich unterschiedlich für Hausarbeit und Kinderbetreuung aus. Macht die Frau Homeoffice, erhöht sie ihren Anteil an der Hausarbeit und Kinderbetreuung signifikant im Vergleich zu vor der Pandemie. Macht der Mann Homeoffice, macht er zwar absolut mehr bei der Kinderbetreuung als vor der Pandemie, jedoch verändert er dadurch seinen Anteil an der Hausarbeit nicht. Weitere Auswirkungen auf die Kinderbetreuung, nicht aber auf die Hausarbeit hat es, wenn der Mann weniger arbeitet als vor der Pandemie. Er macht dann mehr Kinderbetreuung als vor der Pandemie. Auch wenn die Frau mehr arbeitet als vor der Pandemie, macht der Mann mehr Kinderbetreuung als zuvor. Das zeigt, dass sich die Veränderungen der Erwerbssituation deutlich auf die Arbeitsteilung bei der Kinderbetreuung auswirken, jedoch die Hausarbeit davon weitestgehend unbeeinflusst bleibt. Die Hausarbeit lässt sich also deutlich schwerer durch Veränderungen der Erwerbssituation bzw. der außerfamilialen Kinderbetreuungsmöglichkeiten beeinflussen als die Kinderbetreuung selbst.

Ausblick

Veränderungen in der Erwerbssituation während der Corona-Pandemie haben deutliche Auswirkungen auf die Arbeitsteilung bei der Kinderbetreuung. Es ist unklar, ob diese Anpassungen langfristige Auswirkungen auf die Arbeitsteilung bei Paaren haben, es zeigt sich aber, dass Homeoffice und mehr und weniger Arbeitszeit sich unmittelbar auf die Kinderbetreuung auswirken können. Hier wird somit eine Stellschraube sichtbar, die zu einer größeren Gleichheit bei der Kinderbetreuung führen kann. Für die Hausarbeit haben Veränderungen in der Erwerbssituation kaum Auswirkungen. Weder, wenn Frauen mehr Stunden arbeiten oder Männer weniger, noch wenn Männer Homeoffice machen. Einzig steigt der Anteil von Frauen an der Hausarbeit noch, wenn sie im Homeoffice arbeiten. Das zeigt, dass die Verteilung der Hausarbeit deutlich weniger anpassungsfähig an äußere Veränderungen ist und unflexibler zwischen den Paaren verhandelt wird.

Die Ergebnisse entstanden im Zuge des Retrad Projektes, welches sich mit einer möglichen Retraditionalisierung von Geschlechterrollen als Reaktion auf die Corona-Krise beschäftigt und das von der Volkswagen Stiftung gefördert wird.

Diese Arbeit nutzt Daten des Beziehungs- und Familienpanels pairfam, welches von Josef Brüderl, Sonja Drobnič, Karsten Hank, Franz Neyer und Sabine Walper geleitet wird. Die Studie wird als Langfristvorhaben durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Die Analysen basieren auf den Daten der Erhebungswelle 11 des Beziehungs- und Familienpanels  und der pairfam COVID-19 Studie. Eine ausführliche Darstellung der Studie findet sich in Huinink et al. (2011).9

References

  1. Allmendinger, Jutta. 2020. Zurück in alte Rollen. Corona bedroht die Geschlechtergerechtigkeit. WZB: 45–47.
  2. Boll, Christina, Dana Müller and Simone Schüller. 2021. Neither Backlash nor Convergence: Dynamics of Intracouple Childcare Division after the First Covid-19 Lockdown and Subsequent Reopening in Germany. IAB-Discussion Paper.
  3. Zinn, Sabine, Kreyenfeld Michaela and Michael Bayer. 2020. Kinderbetreuung in Corona-Zeiten:Mütter tragen die Hauptlast, aber Väter holen auf. DIW aktuell No. 51: DIW Berlin.
  4. Zucco, Aline, and Yvonne Lott. 2021. Stand der Gleichstellung. Ein Jahr mit Corona. Report No. 64: Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut.
  5. Bujard, Martin, Inga Laß, Sabine Diabaté, Harun Sulak and Norbert F. Schneider. 2020. Eltern während der Corona-Krise: Zur Improvisation gezwungen. Studien 1/2020. Wiesbaden: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung
  6. Hipp, Lena, and Mareike Bünning. 2021. Parenthood as a driver of increased gender inequality during COVID-19? Exploratory evidence from Germany. European Societies 23: S.658-S.673.
  7. Hank, Karsten, and Anja Steinbach. 2020. The virus changed everything, didn’t it? Couples’ division of housework and childcare before and during the Corona crisis. Journal of Family Research, 33(1), 99-114.
  8. Brüderl, Josef, Sonja Drobnič, Karsten Hank, Franz. J. Neyer, Sabine Walper, Philipp Alt, Elisabeth Borschel, Christiane Bozoyan, Madison Garrett, Svenja Geissler, Tita Gonzalez Avilés, Nicolai Gröpler, Kristin Hajek, Michel Herzig, Bernadette Huyer-May, Rüdiger Lenke, Renate Lorenz, Katharina Lutz, Lara Minkus, Timo Peter, Trang Phan, Richard Preetz, Julia Reim, Barbara Sawatzki, Claudia Schmiedeberg, Philipp Schütze, Nina Schumann, Carolin Thönnissen, Katharina Timmermann and Martin Wetzel. 2021. Beziehungs- und Familienpanel (pairfam). GESIS Data Archive, Cologne. ZA5678 Data file.
  9. Huinink, Johannes, Josef Brüderl, Bernhard Nauck, Sabine Walper, Laura Castiglioni and Michael Feldhaus. 2011. Panel Analysis of Intimate Relationships and Family Dynamics (pairfam): Conceptual framework and design. Journal of Family Research 23:77–101.

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